Resilienz in Zeiten des Coronavirus (46)
Warum Zeiten der Unsicherheit so wertvoll sind
«Weisst du, alle sagen doch immer: Mach was aus deinem Leben, mach was aus jedem Augenblick. Aber ich weiss nicht, irgendwie glaube ich, es ist andersrum. Der Augenblick mach was mit uns.»
Nathalie Knapp eröffnet ihr Buch «Der unendliche Augenblick» mit diesem Gedicht von Richard Linklater (Boyhood, 2014). Sie plädiert dafür, Umbruchsituationen oder Schicksalsschläge nicht möglichst schnell hinter sich lassen zu wollen, sondern sie auf eine neue Art wertzuschätzen. Denn es sind Phasen, in denen das Leben mit besonderer Intensität spürbar wird. Sie aktivieren unser schöpferisches Potenzial und lassen uns Entdeckungen machen, die uns in ruhigeren Jahren Halt und Richtung geben.
Wenn sich Dinge verändern, fühlen wir uns oft verunsichert. Denn wir müssen Abschied nehmen von Vertrautem, haben aber noch keine Vorstellung davon, was an seine Stelle treten wird. Im Leben jedes Einzelnen wie in der Entwicklung ganzer Gesellschaften gibt es immer wieder Phasen des Übergangs, zum Beispiel von der Kindheit zum Erwachsenenalter, von einer Epoche zur nächsten. Schleichend oder plötzlich löst sich die gewohnte Ordnung auf, eine neue muss erst gefunden werden. Solche Übergänge mögen beunruhigen, aber sie bieten auch Freiräume, in denen sich etwas entfalten kann, was später ungemein wertvoll sein wird. Wie wir mit ihnen umgehen, hat grossen Einfluss auf unsere Lebensqualität.
«Wir können in Übergangsphasen gar keine Fehler machen, weil Kategorien wie richtig oder falsch nur in Situationen anwendbar sind, die sich oft wiederholen. Sie sind daher passend für einfache Mathematikaufgaben, aber nicht für einzigartige Menschen in einzigartigen Lebenssituationen.»
Nathalie Knapp nimmt Bezug zu Hannah Arendts Auffassung, dass uns erst das Zusammenspiel unserer eigenen Unberechenbarkeit mit der Unvorhersehbarkeit des Lebens ermöglicht, in jedem Moment Handlungsspielräume zu haben. Nur wenn wir das Unvermeidliche annehmen, können wir uns neu öffnen und einer noch unbekannten Zukunft die Hand reichen. Ihre Beispiele sind vielfältig: Übergänge am Waldrand, Umgang mit den Ressourcen in der Permakultur, Geburt, Pubertät, Sterben und Trauer, gesellschaftliche Übergänge und viele mehr.
Nathalie Knapp zeigt, was wir Menschen lernen können, welche Einsichten sich aus Philosophie und Geschichte gewinnen lassen. Und sie identifiziert jene Kräfte, die uns in schweren Zeiten tragen.
Und Sie? Welche Kräfte tragen Sie in der jetzigen Corona-Zeit? Schreiben Sie an
Bleiben Sie gesund und bleiben Sie verbunden. Ihre Regula Hug
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