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Resilienz in Zeiten des Coronavirus (39)

Kompass

Wird die Corona-Pandemie die Welt nachhaltig verändern?

Die einen sind hoffnungsvoll, die anderen skeptisch. Barbara Bleisch stellte letzten Sonntag in der Sendung Sternstunde Philosophie eine Frage, die wahrscheinlich viele Menschen beschäftigt.

 

Harald Welzer antwortet: Nachhaltige Veränderungen sind meist sehr träge, die Menschheit bewegt sich nur wider Willen oder in Krisensituationen. Die Frage ist, ob ein Wandel geplant «by design» oder «by desaster» geschieht.
Wir befinden uns in einer gigantischen Versuchsanordnung. Wir Bürger willigen ein in eine befristete Beschränkung der Grundrechte, demokratisch abgestützt. Wir Bürger denken selber, beschränken uns selber und zeigen ein hoch verlässliches Verhalten mit einem grossen Vertrauen in die Regierung. Diese starke Demokratie und die solidarische Hilfe sind für die Politik eine wichtige Lernerfahrung!
Es lohnt sich zu beobachten, was wir JETZT lernen. Die Globalisierung und die liberale Wirtschaftspolitik sind entzaubert, denn in der Krise rufen sie nach staatlicher Regulierung. Wir müssen Abschied nehmen von der Idee des verschwenderischen Wachstums und eine andere Form der resilienten Finanz- und Marktsysteme denken.
Jetzt interessiert uns die Frage: «Was brauchen wir von den jetzigen Erfahrungen, um eine moderne, nachhaltige Gesellschaft unter demokratischen Bedingungen weiter zu entwickeln?»

Carolin Emcke (lesen Sie ihr Corona-Tagebuch!) antwortet: Wir erleben eine historische Zäsur, es fühlt sich an wie beim Fall der Mauer oder 09/11. Wir werden auf Jahre hinweg mit dem Beben dieser Krise zu tun haben.
Wir sind gerade in einem Schock, wie die Pianistin Maria Joao Pires als sie während dem Konzert merkt, dass hier das falsche Stück gespielt wird. Die Worte des Dirigenten, «Du schaffst das!», symbolisieren unsere Resilienz, ein Repertoire von Strukturen und Wissen, das uns jetzt hilft. Rituale, Erinnerungsgegenstände, Gedichte, Musik und Freundschaften helfen uns, die jetzige Erfahrung zu erfassen.
Gemeinsam als eine Weltgemeinschaft erleben etwas Globales, das zugleich auch zeitversetzt und ungleich wirkt. Zeitversetzt, denn wo an einem Ort die Krise schon fast bewältigt ist, beginnt sie am anderen Ort erst gerade. Ungleich, denn die sozialen und ökonomischen Ungleichheiten vertiefen sich. Wir erleben eine ethisch und politisch ambivalente, verwirrende Erfahrung von unterschiedlichen Lebenswelten. Wir erleben wechselseitige Verwundbarkeit.
Wie gehen wir mit dieser historischen Aufgabe um? Das Innehalten sollten wir beibehalten. Es zwingt uns, uns zu unserer Wirtschaftsform der Wachstumsobsession, zum Beispiel unsere Vorstellung von Tourismus oder Konsum, zu befragen. 

 

Und Sie? Was denken Sie, was die Corona-Pandemie für uns bedeutet? Schreiben Sie an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

 

 

Bleiben Sie gesund und bleiben Sie verbunden. Ihre Regula Hug

 

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